Ludwig van Beethoven |
Werk: Klaviersonate Nr. 29 B-Dur, op. 106 "Hammerklavier"
Epoche: Klassik/Romantik
Entstehungszeit: 1817-18
Besetzung: Klavier
Aufführungsdauer: ca. 38 Minuten
Sätze:
- Allegro
- Scherzo. Assai vivace - Presto
- Adagio sostenuto. Appassionato e con molto sentimento
- Largo - Allegro risoluto
Der Begriff "Hammerklavier" legt ein Schlagen auf die Tastatur nahe. Beethovens "Hammerklavier-Sonate" mag zwar ihre perkussiven Momente haben, der Titel bezieht sich allerdings lediglich auf eine alte Bezeichnung für das Instrument. In anderen Worten präzisierte der Komponist lediglich, dass dieses Werk unter allen Umständen auf einem modernen Klavier mit gehämmerten Saiten zu spielen und das alte Cembalo mit gezupften Saiten keine Option sei. Tatsächlich trugen alle von Beethovens letzten fünf Klaviersonaten diese Angabe, sie wurde allerdings nur zum Beinamen des gewaltigen Opus 106. Der erste Satz, Allegro, bricht mit einem heroischen Ausruf herein, einer Reihe aus großen, staccato zu spielenden Akkorden im Stile einer Barock-Ouvertüre. Schon bald unternehmen leichte Kaskaden an Tönen den Versuch einer Auflösung zu einer schönen Spieluhr-artigen Phrase, bevor erneut die Anfangsakkorde heraufbeschwört werden. Beethoven legt sein Grundmaterial für diesen großen Satz in grade einmal den ersten, wenigen Minuten offen. Fast unmittelbar durchläuft er alles erneut mit größerer harmonischer Verschiebung. Was folgt ist eine kontrapunktische Behandlung der Anfangsthemas, die kolossale Fuge prophezeiend, die die Sonate beenden wird. Beethovens weitere Entwicklung seiner Motive durchläuft Episoden, die abwechselnd sprudelnd und pochend sind, punktiert von einem zunehmend furchteinflößenden Auftreten jener Anfangsakkorde. Zur Hälfte der Reprise löst sich dieser harmonische Rahmen auf und die Musik landet in der entfernten Tonart h-Moll. Die Sonate benötigt eine weitere halbe Stunde, um sich von diesem Schock zu erholen. Das folgende Scherzo ist eine Miniatur: mit einer Jagdrufphrase beginnend fällt es in ein Trio in der Art eines Whirlpools in Moll, dessen Effekt der A-Teil bei seiner Rückkehr nicht ganz abschütteln kann. Der gewaltige langsame Satz, Adagio sostenuto, treibt durch einen Dunst aus harmonischer Instabilität. Beethoven nennt ihn Appassionato e con molto sentimento und verlangt eine intensive emotionale Verbindung zwischen dem Pianisten und der Partitur. Die Themen, wie so oft der Fall in Beethovens späten langsamen Sätzen, leiden unter verschwommenen Umrissen; anstatt einer Melodie zu folgen, erhält man den Eindruck tiefen Stillstands, wenigen Momenten von fließender, aber zielloser Bewegung und erneutem Stillstand und so weiter. Beethoven wechselt behutsam zwischen voller klingenden Teilen und Passagen, die mit una corda bezeichnet wurden, was die Nutzung des Dämpferpedals anzeigt, um schemenhafte, entfernte musikalische Szenen zu erzeugen. Obwohl der Satz offiziell in fis-Moll steht wandert die Musik durch die Tonarten und bringt auch die sekundäre Idee D-Dur unter. Dies ist die Tonart, die Beethoven üblicherweise für religiöse Gefühle reservierte und hier deutet sie die Möglichkeit spiritueller Erleuchtung selbst unter kompliziertester Umstände an. Der letzte Satz erwächst aus einem Largo, einer allmählichen Rückkehr zum Leben, das langsam fragmentarische Phrasen zusammenfügt, bevor er in eine dramatische, dreistimmige Fuge ausbricht. Frühere Generationen von Pianisten lehnten die Fuge als unspielbar ab (nicht nur aufgrund des Tempos), das ist aber eindeutig eine unfaire Beurteilung. Der Kontrapunkt mag zwar außerordentlich komplex sein, aber Beethovens Meisterung der Struktur ist vorzüglich. Bisweilen ist die Musik dicht und wütend und droht (zwei Mal) sogar an sich in zornige Triller aufzulösen. Ungleichmäßig dünnt sich die Vorwärtsbewegung aus und entspannt sich leicht, ohne jedoch wirklich zu erschlaffen. Als die Fuge plötzlich zu einem ruhigen, meditativen Kanon wird, ist der Kontrast beeindruckend. Nichtsdestoweniger gewinnt sie den ursprünglichen Impuls zurück und der Satz endet mit einer imposanten Reihe an großen, nachhallenden Akkorden.
(c) James Reel
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