SCHUMANN: Dichterliebe

Robert Schumann
Lebensdaten: 8. Juni 1810 Zwickau - 29. Juli 1856 Endenich
Werk: Dichterliebe, op. 48
Epoche: Romantik
Entstehungszeit: 1840
Besetzung: Gesang und Klavier
Aufführungsdauer: ca. 18 Minuten
Teile:

  1. Im wunderschönen Monat Mai
  2. Aus meinen Tränen sprießen
  3. Die Rose, die Lilie, die Taube
  4. Wenn ich in deine Augen seh'
  5. Ich will meine Seele tauchen
  6. Im Rhein, im heiligen Strome
  7. Ich grolle nicht
  8. Und wüssten's die Blumen, die kleinen
  9. Das ist ein Flöten und Geigen
  10. Hör' ich das Liedchen klingen
  11. Ein Jüngling liebt ein Mädchen
  12. Am leuchtenden Sommermorgen
  13. Ich hab' im Traum geweinet
  14. Allnächtlich im Traume seh' ich dich
  15. Aus alten Märchen winkt es hervor
  16. Die alten, bösen Lieder

All jene, die Robert Schumann dafür kritisieren die Tiefen der Bedeutung in den von ihm vertonten Gedichten nicht zu erfassen, könnte vorgeworfen werden eine oberflächliche Betrachtung der zugrunde liegenden musikpoetischen Befindlichkeit des Komponisten anzustellen. Es behaupten tatsächlich einige Wissenschaftler, dass Schumanns Subtilität - seine Fähigkeit Texte nicht nur wiederzugeben oder sie sogar zu interpretieren, sondern sie mit Tönen auch zu kommentieren - die wirkliche Essenz seines Liedstils ist. Wenn man seine Sammlung Dichterliebe von 1840 anhört, darf man nicht nur nach dem Austausch zwischen poetischer Sprache und musikalischer Figur suchen, sondern auch künstlerischem Missverhältnis - Momente, in denen Schumann Abstand vom Vers nimmt, eine kritische Distanz einnimmt und sich zum Dichter auf gleiche und manchmal sogar kontrastierende Ebene begibt.

Die weitestgehend als sein bester Liederzyklus angesehene Dichterliebe wurde innerhalb weniger Tage komponiert - beeindruckenderweise im gleichen Monat wie Schumanns op. 24, Liederkreis. Dichterliebe nimmt für ihre Texte 16 Gedichte aus dem "Lyrischen Intermezzo", einem Abschnitt von Heinrich Heines Buch der Lieder von 1827. (Ursprünglich enthielt Schumanns Zyklus 20 Lieder, doch vier wurden gestrichen, als die Dichterliebe 1844 als Opus 48 veröffentlicht wurde). Heines Gruppe folgt einer Flugbahn von zunehmender Ironie. Das Anfangsgedicht drückt eine unschuldige Hoffnung aus, dass die Liebe des lyrischen Ich erwidert werde; die ersten beiden Lieder, Im wunderschönen Monat Mai und Aus meinen Tränen sprießen, enthalten beide das optimistische Bild von aufkeimenden Knospen im Frühling und singenden Vögeln. Von Beginn an deutet Schumann jedoch einen weniger günstigen Ausgang an. Obwohl es kein unübliches Mittel für Schumann ist die Gesangsstimme auf einem dissonanten Akkord verklingen zu lassen endet Im wunderschönen Mai sogar noch doppeldeutiger, da das Klavier den Abschluss des Liedes ausführen muss. Das Lied selbst endet ätherisch auf einem unaufgelösten Akkord und deutet damit an, dass die Liebe des Sängers verschmäht werden könnte. Beim fünften Lied des Zyklus rutschten die Gedanken des Ichs an seine Geliebte sogar schon in die Vergangenheitsform; das siebte Lied, Ich grolle nicht, schlägt einen entschiedenermaßen ironischen Tonfall an. Eine kräftige Bassmelodie unterstützt eine wiederholte akkordische Struktur, während die Stimme des Sängers eine majestätische, fast heroische Aura annimmt. Auf der anderen Seite täuscht der Text Strenge vor, um sein Leid zu verdecken: "Ich sah dich ja im Traum, und sah die Nacht in deines Herzens Raum, und sah die Schlang, die dir am Herzen frißt, - Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist." Schumanns bombastische Begleitung macht klar, dass das lyrische Ich und nicht dessen Geliebte leidet. Bis zum Ende der Sammlung ist jede Heuchelei verschwunden und die Stimme des Ichs ist erschöpft. Schumanns Musik ist gleichermaßen schwerfällig und unnachgiebig in ihrem Rhythmus und Phrasierung und sogar noch unnachgiebiger in ihrer dunklen Parodie. Triumphale, aufsteigende Arpeggi brechen kurz in Dur-Tonarten aus, nur um danach direkt wieder eine sardonische Antwort in Moll zu finden. Als jedoch die letzten, klagevollen Strapazen des Sängers nachlassen, liefert ein bittersüßes Nachspiel des Klaviers seltsamerweise ein Gefühl der Ruhe, das nirgends in Heines Original zu finden ist.

(c) Jeremy Grimshaw

Kaufempfehlung:
Roman Trekel, Oliver Pohl
Label: Oehms, DDD, 2005
YouTube:
Ian Bostridge, Julius Drake
1998

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