Gustav Mahler |
Werk: Sinfonie Nr. 9 D-Dur
Epoche: Romantik/Postromantik
Entstehungszeit: 1908-09
Uraufführung: 26. Juni 1912 in Wien
Besetzung: Orchester
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde, 20 Minuten
Sätze:
- Andante comodo
- Im Tempo eines gemächlichen Ländlers. Etwas täppisch und sehr derb
- Rondo-Burleske. Allegro assai. Sehr trotzig
- Adagio. Sehr langsam und noch zurückhaltend
Während Das Lied von der Erde in sanfter Resignation endete, greift Mahler hier den Tod von vorne mit Musik aus tiefgreifender Gewalt und Ironie an. Der grimmige Charakter der Musik, gewisse kryptische Phrasen, die Mahler in die Entwürfe der Sinfonie notierte und die sich wiederholende Nutzung eines unüblichen Motivs und einer Akkordfolge aus Beethovens Sonate "Les adieux", op. 81, führten Beobachter dazu zu glauben, dass diese Sinfonie autobiografisch sei, eine Art "Abschiedssinfonie". Da Mahler jedoch unmittelbar mit der Komposition seiner zehnten Sinfonie fortgefahren war, ist diese Interpretation ohne wirkliche Begründetheit. Es scheint auszureichen davon auszugehen, dass der Tod einfach wieder einmal ein obsessives Thema ist.
Was in dieser Sinfonie musikalisch neu ist, ist die Synthese des scharfkantigen Stils der Sechsten und Siebten mit der verfeinerten, kontrapunktischen Technik vom Lied von der Erde. Kombiniert mit Mahlers zunehmend fortgeschrittener Harmonik und der ausgeklügelten thematischen Verarbeitung ist das Ergebnis eine Musik, die man mehr mit dem Expressionismus von Schönberg als mit Mahlers früher Romantik verknüpft. Bisweilen erreicht sie einen vollständigen Zusammenbruch an Tonalität und verwischt traditionelle thematische und tonale Unterscheidungen auf eine völlig modernistische Art.
Andante comodo. Dieser kräftige und niederschmetternde Satz beginnt unschuldig genug mit ruhigen Figuren in den Streichern, Harfe und Hörnern und erweitert sich zu einem wunderschön schicksalsergebenen, seufzenden Thema. Schon bald wird es von einem chromatischen und verzweifelten Thema unterbrochen. Diese beiden Ideen wechseln sich in verschiedenen Formen ab und steigen zu verschiedenen großen Höhepunkten auf. Der Satz kulminiert in einer vollständigen Verwandlung der Anfangsmotive zu einem fast kakophonen Kollaps. Davon erholt er sich nie, denn die Soloinstrumente scheinen ziellos umherzuwandern, bevor die finale Resignation der Coda eintritt.
Im Tempo eines gemächlichen Ländlers. Dieser Tanzsatz wechselt zwischen einem schrulligen und tollpatschigen Ländler bar jedes Charmes und einem kitschigen Walzer, der zweifellos dazu gedacht ist billige, populäre Stilistika als Metapher für die Sinnlosigkeit des Lebens heraufzubeschwören. Diese beiden Ideen vermischen sich auf zunehmend komplexere Art, nur einmal unterbrochen von einem ruhigeren, nostalgischen Trio.
Rondo-Burleske. Allegro assai. Sehr trotzig. Dies ist vordergründig ein Scherzo, hat aber die Proportionen und Gewicht eines Finales. Es ist auch Mahlers modernster Satz, der aus äußerst komplexem und dissonantem, geradlinigem Kontrapunkt besteht. Es gibt Wechselfolgen mit einer grotesken Blasmusik, diese fügt sich aber nur weiter in den irrsinnig unausgeglichenen und heftig-grimmigen allgemeinen Stil ein. Dieser wilde Tumult wird plötzlich unterbrochen von einer transzendenten Passage, die an den Anfang der Sinfonie erinnert. Sie erweitert sich langsam zu einer gefühlvollen Melodie für die Streicher, bevor sie schließlich ins Diabolische zurückkehrt. Das Ende ist trotzig und grimmig.
Adagio. Sehr langsam und noch zurückhaltend. Die Gewalt der vorherigen Sätze wird in ruhige, wenn auch bittere Akzeptanz verwandelt. Eine hymnische Passage von würdevollem Charakter scheint Mahlers tiefste Sehnsüchte auszudrücken. Diese wechselt sich ab mit einem irgendwie spärlichen, verdünnten Abschnitt in nacktem Kontrapunkt, der emotionale Ausgelaugtheit auszudrücken scheint. Eine große und tragische Klimax, unterstrichen von einer aus dem ersten Satz umgestalteten Fanfare, führt zu der resignierten und ruhigen Coda.
(c) Steven Coburn
Kaufempfehlung:
Chicago Symphony Orchestra, Dir. Pierre Boulez Label: DGG, DDD, 1995 |
YouTube:
Lucerne Festival Orchestra, Dir. Claudio Abbado
August 2010 in Luzern
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen