Dmitri Schostakowitsch |
Werk: Sinfonie Nr. 10 e-Moll, op. 93
Epoche: Moderne
Entstehungszeit: 1953
Uraufführung: 17. Dezember 1953 in Leningrad (Sowjetunion)
Besetzung: Orchester
Aufführungsdauer: ca. 53 Minuten
Sätze:
- Moderato
- Allegro
- Allegretto
- Andante - Allegro
Dies war Schostakowitschs erste Sinfonie seit acht Jahren und die Pause zwischen dieser und der Neunten von 1945 stammt nicht etwa aus einem Mangel an Inspiration in der Gattung. 1948 wurden Schostakowitsch, Prokofjew, Chatschaturjan und weitere bekannte sowjetische Komponisten zensiert für das Komponieren von Musik, die die Parteigutachter "formalistisch" nannten, ein Deckwort für Dissonanz und den Ausdruck negativer Emotionen oder Zynismus. Natürlich konnte unter dem Heranziehen solch vager und dadurch unter Umständen allumfassender Eigenschaften praktisch jede Komposition für Angriffe verwundbar gemacht werden und viele von Schostakowitsch wurden aussondiert. Nach dem Januar 1948 waren die meisten sowjetischen Komponisten einfach nicht sicher, was sie noch schreiben konnten. Schostakowitsch kehrte sich dem Schreiben patriotischen Bombasts zu wie dem Chorwerk "Das Lied von den Wäldern" (1949), der Kantate "Über unsrer Heimat strahlt die Sonne" (1952), sowie nichtssagenden Filmmusiken wie für den Film "Der Fall von Berlin" von 1950.
Am 5. März 1953 starb Stalin. Die stringente Politik zur Kunst lockerte sich in den Nachwehen des Dahinscheidens des Diktators etwas und Schostakowitsch nutzte die Gelegenheit eine große Sinfonie zu schreiben, nicht zuletzt, weil er darin Stalin verspotten konnte. Tatsächlich heißt es, sei der zweite Satz eine Darstellung des sowjetischen Tyrannen. Die Musik in diesem Allegro ist wütend und intensiv, aber auch ziemlich russisch. Sie kann sicherlich als streng und feindselig, unheilvoll und bedrohlich gehört werden und würde damit ein effektives und glaubhaftes Porträt Stalins malen, sie könnte aber auch Angst und Besorgnis ausdrücken, Emotionen, die Schostakowitsch kaum neu waren. Somit ist diese "Stalin"-Interpretation dieses Satzes, obwohl vermutlich ziemlich zulässig, nicht vollständig überzeugend und noch viel weniger nachweisbar.
Die Sinfonie Nr. 10 beginnt mit einem Moderato-Satz, der beinahe so lang ist wie die nachfolgenden drei Sätze zusammen. Die Stimmung ist dunkel und grüblerisch und die Struktur ist dem Anfangsteil der Achten nicht unähnlich: es gibt ein Einführungsthema, dem zwei "Hauptthemen" folgen. Hier ist das zweite von diesen schneller als sein Gegenstück in der Achten und obwohl die Atmosphäre in der Exposition und Durchführung intensiv ist, gibt es in der Reprise und Coda eine Entspannung an Intensität, während die Achte in der Dunkelheit stecken bleibt.
Wie zuvor nahegelegt, ist der zweite Satz ein scharfes, ernstes Stück. Ihm folgt ein Allegretto mit entschieden russischem Charakter, dessen Stimmung sich etwas aufhellt, vor allem im Mittelteil. Dieser Satz ist bemerkenswert, weil hier Schostakowitsch zum ersten Mal seine persönliche Phrase, D-Es-C-H verwendet oder eben DSCH, seine Initialen in deutscher Transliteration. Diese Phrase sollte später in zahlreichen weiteren Werken des Komponisten auftreten wie dem Violinkonzert Nr. 1 (1947-48; rev. 1955) und seinem beliebten Streichquartett Nr. 8 (1961).
Das Finale beginnt mit einem Andante, das in einem Dunst an Slow-Motion festzustecken scheint. Plötzlich verwandelt sich die Stimmung fröhlich und verspielt, lebhaft und farbenfroh. Ein strenger Mittelteil führt die Dunkelheit des Anfangs in Erinnerung, aber die freudige Musik kehrt zurück und die Sinfonie endet in einem Glanz an ekstatischer Freude. Die Sinfonie Nr. 10 feierte am 17. Dezember 1953 in Leningrad Premiere unter der Leitung von Jewgeni Mrawinski. Sie wurde neben der Sinfonie Nr. 5 zu Schostakowitschs am Häufigsten gespielten und aufgenommenen Sinfonie.
(c) Robert Cummings
Kaufempfehlung:
Concertgebouworkest, Dir. Bernard Haitink Label: Decca, ADD/DDD, 1976-85 |
YouTube:
Orchester des Mariinski-Theaters St. Petersburg, Dir. Waleri Gergijew
2013 im Salle Pleyel von Paris
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