Ludwig van Beethoven |
Werk: Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur, op. 58
Epoche: Klassik/Romantik
Entstehungszeit: 1805-06
Uraufführung: März 1807
Besetzung: Klavier und Orchester
Aufführungsdauer: ca. 35 Minuten
Sätze:
- Allegro moderato
- Andante con moto
- Rondo. Vivace
Beethovens bekanntermaßen umfassende Notizbücher bestätigen, dass er nur komponierte nach einer unklaren Periode der Inspiration, gefolgt von einer Periode des Experimentierens, gefolgt von einer Periode der Heranreifung: oder anders gesagt einem Entwicklungsprozess. Während wir in den meisten Fällen wissen wann Werke uraufgeführt und erstgedruckt wurden, wissen wir nicht, wann er sie genau konzipierte oder welche Kette an Veränderungen ihrer ersten öffentlichen Darbietung vorausging. Wir bleiben beispielsweise unwissend darüber an welchen Tagen welcher Monate - oder eigentlich auch in welchem Jahr - er sich ausschließlich auf das vierte Klavierkonzert konzentriert hatte.
Nicht, dass man das wissen müsste. Es genügt seine revolutionäre (sowie evolutionäre) Natur zu erkennen, die mit dem allerersten Akkor beginnt. Kein Konzert zuvor, von Beethoven oder jemand anderem, beginnt wie das G-Dur mit dem unbegleiteten Soloinstrument spielend - nicht nur das, sondern auch noch anmutig und weich! Das Wunder ist jedoch, dass Beethoven Hauptthema und -rhythmus des gesamten ersten Satzes innerhalb von fünf lieblichen, weichen Solotakten einführt, die auf einem Akkord in D-Dur (Dominante) enden und auf den das Orchester in B-Dur antwortet, bevor es zur Tonika G moduliert. Nichts von Beethovens charakteristischer Vehemenz ist hier vorhanden, nicht einmal während eines Crescendo hin zu Forte mit einer Sforzando-Punktierung in den Takten 20-22, obwohl er gleichzeitig das vierte Konzert und die Appassionata-Sonate komponierte und während sich die fünfte Sinfonie in seinem Unterbewusstsein einnistete.
Faszinierend ist, dass sich die Hauptthemen in den Anfangssätzen des vierten Konzerts und der fünften Sinfonie ein rhythmisches Motto teilen: drei kurze gleichwertige Noten, denen eine längere vierte Note folgt. (Im Konzert sind all diese die gleichen Töne; in der Sinfonie ist der letzte um eine Terz tiefer). Bemerkenswert ist auch die Uraufführung beider Werke im gleichen Wiener Programm - der geschichtenumwoben, vierstündige Marathon am 22. Dezember 1908 im unbeheizten Theater an der Wien, der auch die Pastorale-Sinfonie und die "Choralfantasie" vorstellte mit einem Orchester, das sich weigerte vor dem anwesenden Komponisten zu proben. Apropos G-Dur-Konzert: obwohl seinem bahnbrechenden Beginn eine traditionelle Doppelexposition folgt, waren Beethovens instrumentale Strukturen, das tonale Gewicht, die Feinheiten der Harmonie und vor allem die Illusion der Improvisation, die er kreiert, absolute Meilensteine.
Der langsame Satz ist sogar noch revolutionärer trotz der Kürze von nur 72 Takten und der Verbindlichkeit gegenüber der Romanze als Mittelsatz in Mozarts d-Moll-Konzert (KV 466), das Beethoven mit herausragendem Erfolg öffentlich gespielt hatte. In seinem eigenen Konzert jedoch waren die Gegenüberstellung unversöhnlicher Streicher, die sowohl Forte, als auch Staccato spielten, sowie die tröstende Legato-Antwort des Klaviers mit durchweg gehaltenem "weichen" Pedal beispiellos. Eine solch spürbare Konfrontation war in Konzerten nicht die Norm. Genauso wenig wie die letztendliche Kapitulation des Orchesters, ohne Pause gefolgt von einem als Vivace bezeichneten Rondo-Finale, dessen Coda in Presto mit das Entflammendste ist, das Beethoven je geschrieben hat.
Dennoch ließen sich Solopianisten und ihr Publikum mehr Zeit das Vierte zu spielen als bei anderen Konzerten Beethovens. Mendelssohn aber - ein Kaviar liebender General - liebte es am Meisten und spielte es bei seinem letzten Konzert 1846 in London: ein Programm, das auch seine eigene Musik zu Ein Sommernachtstraum und die schottische Fantasie enthielt.
(c) Roger Dettmer
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