DEBUSSY: La Mer

Claude Debussy
Lebensdaten: 22. August 1862 St. Germain-en-Laye (Frankreich) - 26. März 1918 Paris (Frankreich)
Werk: La Mer, L 109
Epoche: Moderne
Entstehungszeit: 1903-05
Uraufführung: Oktober 1905
Besetzung: Orchester
Aufführungsdauer: ca. 25 Minuten
Sätze:

  1. De l'aube à midi sur la mer
  2. Jeux de vagues
  3. Dialogue du vent et de la mer

Debussys La Mer (Das Meer; 1903-05) ist eines der berühmtesten nicht-sinfonischen Orchesterstücke, das je geschrieben wurde. Während der 1890er stellten sich Bilder von Ozeanen als wiederkehrende Quelle der Inspiration für den Komponisten heraus. Sirènes, die dritte der Nocturnes (1897-99) und Passagen der Oper Pelléas et Mélisande (1893-1905) sind unmittelbare Zeugnisse einer gewissen seemännischen Neigung. La Mer jedoch geht noch ein großes Stück weiter als jedes vorherige Werk - von Debussy oder einem anderen Komponisten - im Einfangen des rauen Wesens dieses evokativsten aller Naturschauspiele. La Mer ist nicht bloß eine Übung in musikalischer Landschaftsmalerei, sondern vielmehr eine klangliche Repräsentation der unzähligen Gedanken, Stimmungen und tief verwurzelter, instinktiver Reaktionen, die das Meer in einer einzelnen menschlichen Seele erweckt.

La Mer setzt sich aus drei einzelnen Sätzen zusammen: "De l'aube à midi sur la mer" (Vom Sonnenaufgang bis Mittag auf dem Meer), "Jeux de vagues" (Spiel der Wellen) und "Dialogue du vent et de la mer" (Dialog des Winds und des Meeres). "De l'aube à midi sur la mer" entfaltet sich in 6/8-Takt nach einer Einführung in Très lent (sehr langsam). Wie in so großen Teilen der reifen Musik des Komponisten ist es nicht immer möglich eine klare Unterscheidung zwischen thematischem Material und Begleitung und Struktur vorzunehmen. Tatsächlich ist die Struktur in Debussys Musik oft selbst am Wichtigsten; die wenigen Anflüge an diskreten Melodien, die sich der Satz leistet (so wie das glasige Violinsolo, das nach etwa 60 Takten im Stück erscheint oder die kurze Hornphrase kurz nach dem Taktwechsel zu 6/8) werden schon kurz darauf in das komplexe orchestrale Gewebe eingefügt. Es gibt Stellen, während denen das rhythmische und metrische Schema, vielleicht absichtlich, von bis zu sechs oder sieben verschiedenen Schichten an gleichzeitigen Aktivitäten verhüllt wird. Der Satz endet mit einer der beeindruckendsten musikalischen Aussagen des Komponisten: in einer mysteriösen Phrase stirbt eine finale Bläserattacke in Forte-fortissimo hin zu Piano, während der Satz sich dem Ende nähert.

Die Partitur von "Jeux de vagues" ist als Ganzes nüchterner als die des ersten Satzes. Regelmäßige Triller und Ausbrüche von rhythmischer Lebendigkeit erwecken die ausgelassenen, unvorhersehbaren Motive des Satzes anschaulich zum Leben, während das extrem ruhige Ende absichtlich darin scheitert eine der musikalische Erwartungen aufzulösen, die sich in den vorhergehenden, aktiveren Abschnitten aufgebaut haben. Die Komposition dieses Abschnitts (Soloflöte und Harmonie in der Harfe) ruft die identische Orchestrierung in Erinnerung, die der Komponist am Ende des Prélude à l'après-midi d'un faune (Präludium zum Nachmittag eines Fauns; 1894) angewandt hatte. Tatsächlich sind diese parallelen Abschnitte auch im dramatischen Nutzen ziemlich ähnlich.

Der abschließende "Dialogue" ist eine stürmische Gegenüberstellung einer dringlichen, artikulierten Rhythmusphrase - die zuerst in pianissimo von den Celli und Kontrabässen eingeführt wird und den ganzen Satz hindurch genial moduliert wird - mit einer grandiosen Idee als Legato, die von Vielen mit den Melodien César Francks (ein wichtiger Einfluss für den jungen Debussy) verglichen wurde. Ein zurückgehaltenes Forte-fortissimo bringt dieses heftige, urgewaltige Werk zu einem kräftigen Abschluss.

(c) Blair Johnston

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Berliner Philharmoniker, Dir. Simon Rattle
Label: Warner, DDD/LA, 2004
Lucerne Festival Orchestra, Dir. Claudio Abbado
Label: EuroArts, 2003
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New York Philhamonic, Dir. Pierre Boulez
Avery Fisher Hall in New York City (1992)

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