BEETHOVEN: Missa solemnis

Ludwig van Beethoven
Lebensdaten: 16. Dezember 1770 Bonn (Kurköln) - 26. März 1827 Wien (Österreich)
Werk: Missa solemnis D-Dur, op. 123
Epoche: Klassik/Romantik
Entstehungszeit: 1819-23
Besetzung: Solisten, Chor und Orchester
Aufführungsdauer: ca. 1 Stunde, 20 Minuten
Teile:

  1. Kyrie
  2. Gloria
  3. Credo
  4. Sanctus
  5. Agnus Dei

Älter als 50 war Beethoven taub, von wahrer Liebe verschmäht, von seinem Neffen verstoßen, für den er eine väterliche Rolle angenommen hatte und von unzähligen Krankheiten geplagt. Und dennoch schrieb der Komponist an diesem Punkt in seinem Leben die Partitur seiner Missa Solemnis "an Gott, der mich nie verlassen hat." Welch innerer Zustand brachte Demut in diesem prometheischen Charakter hervor, ein Gewahrwerden und eine Ehrfurcht gegenüber der Bedeutung eines Einzelnen im Kosmos aus diesem leidenschaftlichen und aufsässigen Advokaten der Würde der Menschheit? In seinem Glauben war er so unerschütterlich wie Bach oder Bruckner, es war aber ein von seinem inneren Zustand gezwungenermaßen gemäßigter Glaube und einer mehr durch die Natur als etwa durch Bibel und Kirche genährter. Dies reflektierte in dieser gewaltigen Kathedrale, op. 123 aus seiner letzten großen Schaffenszeit, die auch die Neunte Sinfonie und die letzten Quartette erlebte. Ironischerweise lief die Veräußerung der großen Messe genauso irdisch ab wie jeder Werbevorgang, denn der Komponist kündigte sie als "das großartigste Werk, das ich bisher komponiert habe" an, um die Verleger zurückzuholen, die einiger von Beethovens weniger moralischen Handlungen überdrüssig geworden waren. Hier scheinen seine Worte wahr zu sein. Zusammen mit dem "Alle Menschen" seiner Neunten Sinfonie bilden die beiden Gipfelpunkte der Spätwerke ein Yin und Yang der tief verinnerlichten Glaubensansichten des Komponisten.

Die Komposition der großen Messe beschäftigte Beethoven von 1818 bis 1823 und führte ihn weit über den Anlass hinaus, für den sie komponiert wurde, nämlich die Amtseinführung des Erzherzogs Rudolph als Erzbischof von Olmütz. Als Vorbereitung vertiefte sich Beethoven für ein Jahr in die Geschichte der Kirchenmusik. Das Ergebnis war die Essenz des Komponisten, der ehrfürchtig zurückblickt, während er sich vorankämpft. Zusätzlich zu Solisten und Chor nutzt die Messe eine Orgel und erweitertes Orchester. Die fünf Hauptteile des Ordinarius der römisch-katholischen Messe sind weiter unterteilt. Das anfängliche Kyrie ist durch eine dramatische Ebbe und Flut charakterisiert, durchweg wurde die Interaktion von Chor und Solisten eingegliedert. Dem folgt das jubilierende Gloria, dessen hemmungslose Ekstase zunächst als unbrauchbar für den Gottesdienst angesehen wurde und in dem gewissermaßen Ausrufe des Gloria die Coda bilden. Im Credo, dem Kern des katholischen Glaubens, nutzt Beethoven alte Kirchentonarten zusammen mit seiner eigenen, damals modernen Musiksprache und wendet diese für lebhafte Tongemälde an. Eine wärmere Ekstase durchdringt das Sanctus; er greift der Mensch Kindern gleich nach dem Schöpfer; die vielleicht schönste Stelle tritt in seinem Benedictus auf; der Effekt der Solovioline ist wie der eines lange ersuchten Friedens, der wie Balsam über die Seele hereinbricht und diese infiziert. Das Agnus Dei beginnt dunkel und grüblerisch, wird später ironischerweise martialisch im Dona nobis pacem und der Hörer wird daran erinnert, dass gerade erst fast zwei Jahrzehnte an kontinentalem Krieg zu Ende gegangen waren. Den Solisten wird das letzte, leidenschaftliche Wort überlassen und Beethoven beendet die Messe mit einer mitreißenden Bitte um Weltfrieden.

(c) Wayne Reisig

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Luba Orgonasova, Birgit Remmert, Christian Elsner, Bjarni Thor Kristinsson (Solisten), Europa Chor Akademie, Orchestre Philharmonique du Luxembourg, Dir. Michael Gielen
Label: Capriccio, DDD, 2005
Marlis Petersen, Elisabeth Kulman, Werner Güra, Gerald Finley (Solisten), Netherlands Radio Choir, Concertgebouw Orchestra, Dir. Nikolaus Harnoncourt
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Luba Orgonasova, Catherine Robbin, Anthony Rolfe Johnson, Alastair Miles (Solisten), NDR Chor, Monteverdi Choir, NDR Sinfonieorchester, Dir. John Eliot Gardiner

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