TSCHAIKOWSKI: Sinfonie Nr. 6 h-Moll "Pathétique"

Pjotr Tschaikowski
Lebensdaten: 7. Mai 1840 Wotkinsk (Russland) - 6. November 1893 St. Petersburg (Russland)
Werk: Sinfonie Nr. 6 h-Moll, op. 74 "Pathétique"
Epoche: Romantik/Postromantik
Besetzung: Orchester
Entstehungszeit: 1893
Uraufführung: 28. Oktober 1893 in St. Petersburg (Russland)
Aufführungsdauer: ca. 45 Minuten
Sätze:

  1. Adagio - Allegro non troppo
  2. Allegro con grazia
  3. Allegro molto vivace
  4. Finale. Adagio lamentoso

Tschaikowski komponierte diese Musik zwischen Februar und August 1893 und dirigierte die Uraufführung am 28. Oktober dieses Jahres in St. Petersburg. Schon 1890 hatte Tschaikowski an seine seit 13 Jahren hilfreiche Mäzenin Nadeschda von Meck von einer möglichen "Programmsinfonie" geschrieben. 1893 war er bereit die Idee umzusetzen, die er seinem geliebten Neffen Wladimir Dawydow widmete, dem "Bobyk" vieler Tagebucheinträge und Briefe während der 1880er. Nach einer erfolgreichen Premiere war er jedoch nicht zufrieden mit dem Titel der Programmsinfonie (Nr. 6) auf der Hauptseite. Einige Tage später schlug sein Bruder Modest "Patetichesky" vor, was im Russischen "1. enthusiastisch, leidenschaftlich; 2. emotional und 3. bombastisch" bedeutet (und nicht etwa "theatralisch" oder "Mitleid erregend" wie das englische "pathetic"). Peter Iljitsch war entzückt von dem Vorschlag: "Exzellent, Modja, bravo, Patetichesky!" Er schrieb dies in die Partitur und schickte es am selben Tag an seinen Verleger Jürgenson. Zwei Tage später jedoch hatte er wieder Zweifel und bat Jürgenson Untertitel wegzulassen - und das Werk einfach als Sinfonie Nr. 6 mit Widmung an Bobyk zu veröffentlichen. Eine Woche später war er tot. Was Jürgenson angeht, konnte dieser der Versuchung nicht widerstehen im Jahre 1893 die Nr. 6 zu veröffentlichen, die in eleganter Lingua Franca "Symphonie pathétique" genannt wurde. Der Spitzname blieb seither bestehen.

Während der Entwicklungszeit des Werks war Tschaikowski in selten guter Stimmung, zufrieden mit seiner Kühnheit und dem Fluss, vor allem im bahnbrechenden Finale, einem langgezogenen Adagio mit Begräbnis-Charakter. Während andere immer noch konventionelle langsame Sätze schrieben, baute er auf der Idee eines "hinkenden Walzers" im 5/4-Takt auf. Und er machte aus dem Scherzo ein Marsch, der sich zu solch einem Höhepunkt an Aufregung aufbaut, dass das Publikum allerorts seither am Ende applaudiert.

Ein düsterer Adagio-Prolog beginnt mit einem Fagottsolo in e-Moll, das sich seinen Weg durch das trübe Gewässer geteilter Kontrabässe nach oben bahnt und dem ein nervöses, kleines Motiv folgt, welches zum Hauptthema aufblüht eines Allegro ma non troppo in Sonatenhauptsatzform in h-Moll. Die einprägsam seufzende, malvenfarbene Melodie, die diesen Satz dominiert ist eigentlich dessen zweites Thema. Ein krachendes Tutti des Orchesters bildet die leidenschaftlich aufgewühlte Durchführung, der eine gekürzte Reprise und eine kurze, ruhige Coda folgt.

Tschaikowskis Bezeichnung für diesen "Walzersatz" in D-Dur ist Allegro con grazia - ein Lied und Trio mit ausgedehnter Coda, deren Stimmung wehmütig und zwischendurch sogar melancholisch sein mag, aber deren Geist tänzerisch ist, sogar so weit um den "Blumenwalzer" aus dem Nussknacker nachklingen zu lassen, der ein Jahr zuvor komponiert wurde.

Das Marsch-Scherzo, angegeben als Allegro molto vivace, hat zu Beginn einen neckischen Charakter. Es ist eine Sonatine (Exposition und Reprise ohne Durchführung), die im Sturmschritt zu einer explosiven Klimax wächst, aber immer zur Tonika in G-Dur zurückkehrt.

Eine weitere Sonatine (sinfonische Durchführungen waren Tschaikowskis Reizthema) ist in h-Moll verankert, obwohl das tragische zweite Thema in D-Dur auftritt. Die allgemeine Stimmung ist untröstlich trauernd, aber eben nicht "pathetisch". Schließlich kehrt die Musik zu jenen trüben Abgründen zurück, aus denen die Sinfonie etwa 40 Minuten zuvor geboren wurde - jedoch ohne Segen oder Hoffnung.

(c) Roger Dettmer

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