Igor Strawinsky
Lebensdaten: 17. Juni 1882 Oranienbaum (Russland) - 6. April 1971 New York City
Werk: Psalmensinfonie (Symphonie de Psaumes)
Epoche: Moderne
Entstehungszeit: 1930
Uraufführung: 13. Dezember 1930 in Brüssel
Besetzung: gemischter Chor und Orchester
Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten
Sätze:
- Exaudi orationem meam, Domine
- Expectans expectavi Dominum
- Alleluja, laudate Dominum
Vor der Endphase seiner Karriere, während der er damit begann geistliche Musik in positivem Sinne auszuschütten, war die Anzahl der Vertonungen religiöser Texte in Igor Strawinsky Katalog relativ dünn gesät. Es gibt natürlich das Pater Noster von 1926 und das Credo von 1932, aber das einzige, wirklich umfangreiche Werk in ausdrücklich religiöser Stimmung, das vor der Messe von 1947 erschien, ist die berühmte Psalmensinfonie für Chor und Orchester, die Strawinsky 1930 im Zuge eines Auftrag komponierte, welcher ihm Sergei Kussewizki Ende 1929 gab. Die Partitur der Sinfonie wird dementsprechend passend von einer doppelte Widmung eingeleitet, die besagt, dass "diese Sinfonie für den Ruhm des Herrn komponiert und dem Boston Symphony Orchestra aus Anlass seines fünfzigjährigen Bestehens gewidmet wurde."
Wie die zehn Jahre zuvor komponierten Sinfonien für Holzbläser zwingt uns die Psalmensinfonie einen Schritt zurück zu machen und unsere musikalische Terminologie zu überdenken. Hier wird der Begriff "Sinfonie" mehr oder weniger in seinem ursprünglichen Sinn verwendet, nämlich das, was "klingt" oder "zusammen erklingt" und das ohne jeglichen Bezug entweder zum traditionellen mehrsätzigen Format, das die orchestrale Musik seit der Zeit Haydns dominiert oder der überaus persönlichen dramatischen Erzählung, zu der die Sinfonie im Verständnis der Mehrheit des musikalischen Publikums des 19. Jahrhunderts wurde. Der gewissermaßen widersprüchliche Titel des Werks reflektiert Strawinskys selbst formulierte Absicht eine Art perfekte Balance zwischen Stimmen und Instrumenten zu erreichen, in der keine von beiden eine Form der Überlegenheit über die anderen animmt. Wir können diese Dualität des Ausdrucks quasi mit der gleichen, in der Widmung des Werkes erwähnten Dualität der Geisteshaltung verbinden - wir finden hier eine wirkungsvolle Umsetzung der Idee, dass der Mensch und das Göttliche in der Kunst zwei bestimmte Gebiete des genau gleichen Raumes besetzen. Eine Idee, die dem Komponisten nach der Bekräftigung seines orthodoxen Glaubens in den 1920ern sicher auf dem Herzen lag. Die in der Sinfonie verwendeten, drei lateinischen Psalme (Psalme 38, 49 und 150) werden auf größtenteils homophone Weise behandelt, die die stärker kontrapunktische Struktur der Instrumente gleichermaßen scharf konstrastiert, wie auch mit unbeschreiblichem Gespür, welcher eine große Menge der prächtigen, spirituellen Stimmung der Sinfonie ausmacht, feierlich bestärkt. Technisch gesehen erschafft Strawinsky diese spirituelle Stimmung, indem er auf einige Elemente des Orchesters, die wir am Stärksten mit individueller Wärme und Ausdruck assoziieren - die vollen, hohen Streicher und die Klarinetten - komplett verzichtet und dazu empfiehlt, dass die Sopran- und Altpartien des Chors von einem Knabenchor übernommen werden.
Die drei Sätze werden ohne jegliche Pause gespielt. Der erste Satz tritt in beständigen Sechzehntel- und Achtelphrasen auf, worüber die stark in Halbtöne getauchten Stimmen ihre ernsten, sich langsamer bewegenden Gedanken liefern. Der zweite Satz ist als Doppelfuge angelegt, die erste nur für das Orchester, in der zweiten stimmen alle in den Psalm 39 überein. Kinetischer in seiner Natur ist der Finalsatz, der den Psalm 150 in Gänze enthält. Es gibt zwei Säulen rund um die zentrale, kraftvoll energische Aktivität - eine zur Einführung, eine zum Abschluss - die heiterere, verehrende Musik bieten. Die zweiten dieser Säulen wird in eine ausgedehnte Coda verwandelt, die auf einem unüblich weiträumigen C-Dur-Akkord endet, der ungeachtet der Schwierigkeit, die er für Tonstimmung und Balance darstellt (der erste Oboe beispielsweise wird das E eine Oktave plus ein Zehntel über dem Mittel-C gegeben), in sich scheinbar eine Reflektion der Ideale der Sinfonie zu übermenschlicher Klarheit zu enthalten scheint.
(c) Blair Johnston
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in der Mailänder Scala
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