Johannes Brahms |
Werk: Sinfonie Nr. 1 c-Moll, op. 68
Epoche: Romantik
Entstehungszeit: 1855-76
Uraufführung: 4. November 1876 in Karlsruhe
Besetzung: Orchester
Aufführungsdauer: ca. 45 Minuten
Sätze:
- Un poco sostenuto - Allegro
- Andante sostenuto
- Un poco allegretto e grazioso
- Finale. Adagio - Più andante - Allegro non troppo, ma con brio
Brahms komponierte dieses Werk zwischen 1855 und 1876. Otto Dessoff dirigierte eine erste "Probeaufführung" am 4. November 1876 in Karlsruhe. In Düsseldorf zwischen 1854 und 1856 - wo er Clara Schumann mit ihren sieben Kindern half, während der unheilbare wahnsinnige Robert, ihr Ehemann, in einem Irrenhaus vergammelte - unternahm der junge Brahms zwei verschiedene Anläufe eine Sinfonie zu skizzieren. Ende 1858 wurde eine Skizzensammlung zum Ersten Klavierkonzert zusammengestellt, diesem enormen und "ernsten" Werk mit Barockfundament in der Tradition von Beethovens Großer Fuge und der "Hammerklavier"-Sonate. Skizzen für einen Allegro-Satz in C-Dur in Sonatenform und 6/8-Takt wurden für eine spätere Erweiterung und Durchführung aufbewahrt. Als er 1862 die Ergebnisse der nun verwidweten Clara präsentierte, sprach sie ihre Bewunderung, aber auch die Bedenken aus, dass es zu abrupt enden würde. Die nächsten 12 Jahre sollte Brahms diese Musik immer griffbereit halten. 1874 schließlich zwang er sich dazu die Erste Sinfonie fertigzustellen, die Freunde und Bewunderer (zu allererst Schumann 1853 kurz nach ihrer ersten Begegnung) ihn drängten zu komponieren.
Er brachte das Allegro von 1855-62 auf Hochglanz, nun in c-Moll und schrieb dann eine feierliche Einführung, die auf bereits 12-20 Jahre alte Themen hindeutet. Diese beinhalten ein wiederholt auftretendes Motiv aus drei aufsteigenden Halbtönen, die im langsamen Satz wiederholt werden. Nachdem er nun ein Pferd geschaffen hatte, das den Wagen zieht, machte sich Brahms an die Mittelsätze: ein langsamer (Andante moderato in E-Dur, danach c-Moll), der andere quasi ein Scherzo (Un poco allegretto e grazioso, freundlich und anmutig in As-Dur, f-Moll und schließlich H-Dur), jeweils in Dreier- und geradem Takt. Gewisse Arten von Darbietungen können die Mittelsätze etwas deplatziert klingen lassen, was jedoch nicht ihre innewohnende Qualität anfechten soll. Beide veranschaulichen einen Meister der Musik seiner Zeit, der eine exklusive Synthese aus im Widerstreit befindlichen kreativen Kräften erreicht hat. Ihre Substanz und ihr Stil sprechen von keiner geringeren Reife als das monumentale Finale, das geschaffen wurde, um sie zu übertreffen. Dort führt ein unheilvolles Geleit in c-Moll zu einem Allegro non troppo ma con brio (nicht zu schnell, aber lebhaft) in C-Dur, das in 4/4-Takt bleibt bis zu einer kulminierenden Alla-Breve-Beschleunigung in die Coda hinein.
Brahms' Jahrzehnt des Wohnsitzes in Wien hatte ihn ausgeglichener gemacht und auch reifen lassen: die Mittelsätze könnte man Schubert-esk nennen mit Hilfe Schumanns. Das Finale jedoch zollt Tribut an die deutschen Meister des Barock: Scheidt, Froberger, Buxtehude, Bach und den vertriebenen Händel. Gleichzeitig ehrt es die sinfonische Architektur Beethovens ohne einen Schritt zurück zu machen. Obwohl er zu der Generation gehört, die Chopin und Schumann vorausgegangen war, befreite Brahms die Musik genauso wie sie von der traditionellen deutschen Tyrannei der Taktstriche, vier- und achttaktigen Phrasen, Akzenten auf dem ersten Schlag und rhythmischem Mainstream. Obwohl keine der Musik seiner Kollegen fülliger klingt (nicht einmal Bruckners mit den erweiterten Holz- und Blechbläsern), erreichte Brahms seinen Zweck mit beeindruckend einfachen Mitteln - dem grundlegenden Beethoven-Orchester ohne Basstrommel, Becken oder Piccoloflöte - fast bis hin zu Bescheidenheit auf dem Papier, aber einzigartig volltönend im Konzert.
(c) Roger Dettmer
Kaufempfehlung:
Münchner Philharmoniker, Dir. Christian Thielemann Label: DGG, DDD, 2006 |
YouTube:
hr-Sinfonieorchester, Dir. Stanisław Skrowaczewski
22. März 2013 in der Alten Oper von Frankfurt/Main
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